Solidarität mit den fünf Orang-Utans im Dresdner Zoo – Eine Stellungnahme
Im Dresdner Stadtrat steht eine Abstimmung zur Finanzierung des Baus eines neuen Orang-Utan-Hauses bevor. Die Investitionssumme für das Bauprojekt beläuft sich inzwischen auf bis zu 17 Millionen Euro. Die Informationslage über die Pläne und Vorhaben, Beweggründe und Entscheidungsgrundlagen wurden erst kurzfristig bekannt gegeben. Die Öffentlichkeit wurde nicht ausreichend in die Debatte miteinbezogen.
Schon im Ansatz zeigt eine rein sachliche Betrachtung der Baupläne, dass „der Neubau zur Haltung der beiden jetzt bestehenden Gruppen zu klein bemessen ist. Er entspricht nur mit Hängen und Würgen den Mindestvorgaben des Säugetiergutachtens. Pro Gruppe müssten das im Innenbereich jeweils 160m² sein, tatsächlich aber sind es nur 132m² bzw. 72m². Selbst wenn der Reserveraum von 48m² dazu genommen wird, reicht das nicht für beide Gruppen. Unseres Wissens wurden in der Bauplanung weder ein primatologischer noch ein orang-utan-spezifischer Sachverstand eingeholt.“, so Colin Goldner vom Great Ape Project zu den veröffentlichten Bauplänen.
Doch selbst wenn die Mindestvorgaben erfüllt würden, bliebe das eigentliche Grundproblem bestehen: Individuen mit persönlichen Bedürfnissen, in diesem Fall die fünf Orang-Utans, werden weiterhin eingesperrt und entgegen ihren eigenen Interessen gefangen gehalten. So werden sie niemals ihren natürlichen Lebensweisen, Fähig- und Fertigkeiten nachkommen können und zeigen vielfach durch Zwangsvergesellschaftung, räumliche Einschränkungen und fehlende Rückzugsmöglichkeiten bedingte Neurosen. In Gefangenschaft werden sie sich weder unbegrenzt frei bewegen können, noch können sie uneingeschränkt ihrem natürlichen Sozialverhalten nachgehen. Hierzu gehört unter anderem Partner:innen frei zu wählen, Reviere von bis zu mehreren Hundert Hektar zu beanspruchen, diese zu sichern und Wohnplätze zu bauen. Zu den grundlegendsten Bedürfnissen jedes Individuums gehören Selbstwirksamkeit und Autonomie.
Stattdessen sind die Orang-Utans stets der menschlichen Willkür und deren Wohlwollen ausgesetzt. Beispielhaft für ein grundlegendes Problem des bestehenden Mensch-Tier-Verhältnisses, dienen die Orang-Utans des Dresdner Zoos menschlichen Verfügungszwecken. Die Zoo Dresden GmbH verfolgt, wie auch andere gewinnorientierte Unternehmen, ökonomische Interessen mit dem Ziel der Profitmaximierung. So steigen beispielsweise die Besucher:innenzahlen mit der Zucht und Zurschaustellung von Tierbabys. Deshalb ist es wenig überraschend, dass durch den Neubau auch die Orang-Utan-Zucht wieder angekurbelt werden soll. „Das neue Orang-Utan-Haus wird nicht allein für unsere heutigen, alten Orang-Utans gebaut, sondern vielmehr für künftige Generationen“, schreibt der Dresdner Zoo in seinen Bauplänen. Dies bedeutet, dass weiterhin Individuen in Gefangenschaft geboren und einem Publikum präsentiert werden, um als angebliche Botschafter:innen einer bedrohten Tierart dem Deckmantel des Artenschutzes gerecht zu werden.
Der vermeintliche Bildungsauftrag, welchen der Zoo vorgibt zu leisten, ist an Zynismus kaum zu überbieten. Die angebliche Sensibilisierung der Besucher:innen für Arten-, Naturschutz und Umweltbelange ist absurd angesichts der Zurschaustellung von nichtmenschlichen Tieren in künstlicher Umgebung, deren Gefangenschaft und pathologisches Verhalten als völlige Normalität und als unproblematisch dargestellt wird/werden. Während zeitgleich immer mehr natürliche Lebensräume unwiederbringlich zerstört und ökonomisch ausgebeutet werden, zeigen Untersuchungen, dass Menschen, die Zoos besuchen, nicht mehr Wissen erlangen als jene, die Zoos meiden. Die in Zoos dargebotenen Schilder und Broschüren werden demnach nur von einem Prozent der Besucher:innen gelesen.[1] Zudem bieten diese Informationsangebote überhaupt nur einen geringen Informationsgehalt im Vergleich zu beispielsweise Dokumentationsfilmen. Das Konzept Zoo muss auch auf der Basis seiner kolonialgeschichtlich fragwürdigen Vergangenheit sowie des fortgeschrittenen Verständnisses für die Belange anderer Spezies als obsolet bezeichnet werden.
Wir Aktivist:innen der Gruppe tierbefreiung dresden solidarisieren uns mit Djaka, Djudi, Toni, Daisy und Dalai und allen anderen in Zoos eingesperrten und ausgebeuteten Individuen.
Deshalb fordern wir, dass:
- in eine umfassende und diesen Namen verdienende Bildungs- und Aufklärungskampagne für die Dresdner Öffentlichkeit investiert wird, die darüber informiert, was es für die betroffenen Tiere bedeutet, in Gefangenschaft zu leben. Wir sind zuversichtlich, dass in Verbindung mit dieser die Entscheidung gegen die Orang-Utan-Haltung im Dresdner Zoo von der Mehrheit mitgetragen werden würde. Kurzum: Wir fordern eine breite öffentliche Debatte über den Dresdner Zoo.
- die beantragte Millionen-Investition dafür eingesetzt wird, Djaka, Djudi, Toni, Daisy und Dalai an einen für sie sicheren und lebenswerteren Ort zu bringen, an dem sie möglichst selbstbestimmt leben dürfen – beispielsweise in einem der anerkannten Primatenschutzzentren.[2]
- keine neuen/weiteren Tiere für den Dresdner Zoo „angeschafft“ oder gezüchtet werden (weder Primaten noch andere Tiere).
- alle im Dresdner Zoo in Gefangenschaft gehaltenen Tiere sofern möglich ausgewildert oder alternativ in die Obhut von Lebenshöfen/Auffangstationen oder ähnlicher Orte übergeben werden.
- mehr Einsatz zur Erhaltung und Sicherung intakter Ökosysteme und Lebensräume geleistet wird.
- die Institution Zoo in eine multimediale Projektionslandschaft transformiert wird, wo nichtmenschliche Tiere durch zeitgemäße virtuelle Techniken in ihrer natürlichen Umgebung erlebt werden können.
[1] vgl. Mullan, Bob/Marvin, Garry: Zoo Culture
[2] https://www.greatapeproject.de/schutzprojekte/